Zehn Gebote für gute Prozessberatung

Warum ist Prozessverbesserung solch ein hartes Geschäft? Weil die zehn Gebote der Prozessberatung nicht eingehalten werden.

Gute Berater, schlechte Berater. Manche sind am Anfang gut, später werden sie verflucht. Manche sind von vornherein zum Scheitern verurteilt. Andere schaffen es auf scheinbar magische Art und Weise. Prozessverbesserung scheint oft russischem Roulette zu gleichen.

Das muss nicht sein. Abgesehen von elementaren Regeln – etwa dass ein Berater aus der Praxis und nicht frisch von der Uni kommen sollte – habe ich gelernt, dass Berater bestimmte Regeln einhalten müssen, sonst sind sie schnell „draußen“. Oder, schlimmer noch, sie sind erst draußen, wenn der Kunde bereits maximal verärgert ist.

Die harte Praxis lehrte mich, dass es enorm hilft, bei der Prozessverbesserung bestimmte Regeln einzuhalten. Dazu gehören vor allem die folgenden „Gebote“:

  1. Du sollst nie Linie über Projekt stellen.
  2. Du sollst keine Hypes predigen.
  3. Du sollst Standards nicht wörtlich umsetzen.
  4. Du sollst Meinungsführer einbeziehen.
  5. Du sollst die Entwickler nicht verärgern.
  6. Du sollst Ergebnisse und nicht Arbeitsweise vorschreiben.
  7. Du sollst den Prozess nicht im Alleingang schreiben.
  8. Du sollst geeignete Tools einführen.
  9. Du sollst neue Prozesse erproben.
  10. Du sollst an den Kunden und nicht an Deinen Umsatz denken.

Und warum werden diese Gebote so oft gebrochen? Unerfahrenheit ist ein Grund, aber bei erfahrenen Beratern gilt diese Ausrede nicht. Der Grund liegt woanders. Der Geist ist bekanntlich willig, nur das Fleisch ist schwach, und der Berater auch nur ein Mensch. Oft genug hat er von seinen Vorgesetzten eine Agenda erhalten, die nicht die Kundeninteressen im Auge hat. Manchmal glaubt er tatsächlich an den Hype, den er so vehement predigt. Manchmal hat der Berater Angst, mutige Entscheidungen zu treffen. Gelegentlich wehrt sich der Kunde erfolgreich gegen Mehrkosten, die mit „richtigen“ Lösungen, wie zum Beispiel geeigneten Tools für die Entwickler, einhergehen. Oder der Berater kann sich gegen bestimmte Schlüsselpersonen nicht durchsetzen. Manchmal steht die Unternehmenskultur der Kundenorganisation dem Erfolg im Wege.

Was auch immer der Grund ist: Werden diese Regeln missachtet – verdammt und verflucht wird am Ende der Berater.

Roman Mildner
Über Roman Mildner 79 Artikel
Ich bin zertifizierter Projektmanager (PMP), Managementberater und Buchautor. Seit 1992 bin ich in der IT-Branche und seit 1998 als Managementberater tätig. Zu meinen Arbeitsschwerpunkten gehören Technologiestrategie und Prozessverbesserung, insbesondere im Bereich von Automotive SPICE. Weitere Details finden Sie hier.

4 Kommentare

  1. Zu Punkt Nr. 10 hätte ich ein Korollar: 11. Du sollst Dich nicht nach Tagessätzen bezahlen lassen.

    Warum? Weil die Tage, die der Kunde selbst braucht, um seinen veränderten Prozess zu leben, viel wichtiger (und zahlreicher) sind, als die Tage, die der Berater braucht, um den Kunden dazu zu bewegen. Deshalb sollte der Berater nach Chance des Kunden, Wert zu gewinnen, nicht nach dem Aufwand dafür bezahlt werden.

    Ansonsten wird der Berater in Versuchung kommen, gegen das 10. Gebot zu verstoßen und einfach viele Tage zu machen.

    • Ein sehr interessanter Punkt!

      Das Dilemma des Beraters: soll ich

      1. nach Stunden oder
      2. nach Ergebnis abrechnen?

      Es ist oft schwer zu bewerten, wann sich das versprochene Beratungsergebnis eingestellt hat.

      Gelegentlich wird die folgende Ansicht postuliert:

      Wenn ein Berater pro Stunde bezahlt wird, dann sei er keiner – er sei ein Zeitarbeiter (a.k.a. „externer Mitarbeiter). Ein „echter“ Berater werde für das Ergebnis bezahlt, und nicht für die Zeit, die er/sie gebraucht hat.

      In der Theorie ist die 2. Lösung selbstverständlich die beste. Eine Stunde Anfängerberatung != eine Stunde Profiberatung. Der Unterschied ist in Größenordnungen zu messen.

      Doch wie sieht es mit der Praxis aus?

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