Die Zukunft der elektrischen Mobilität fährt auf zwei Rädern

Zur Arbeit radeln, verschwitzt ankommen, erst einmal duschen – das war gestern.

Der allgemeine Verkehrskollaps ist nicht mehr fern, da scheinen sich Experten einig zu sein. Zu viele Autos auf zu wenigen Straßen – ein Dauerstau droht. In der Tat, wer in Köln die gefühlte Frechheit besitzt, um 8:30 Uhr morgens über die A3/A4-Verbindung das andere Rheinufer erreichen zu wollen, braucht viel Geduld und ein gutes Hörbuch. An besonders „unterhaltsamen“ Tagen sind für diese Strecke zwei Stunden ein durchaus realistischer Wert.

Die Antwort der Politik: Bitte auf Bus, Bahn und Fahrrad umsteigen. Das Letztere verspricht uns Schreibtischtätern einen gesunden Bewegungsausgleich. Schweißgebadet ins Büro zu kommen kann indes bewirken, dass manche Meetings erstaunlich kurz ausfallen, karrierefördernd ist das nicht unbedingt. Wer eine Dusche im Betrieb hat, kann sich daher glücklich schätzen.

Nun gibt es aber eine Lösung: Ein Elektromotor im Fahrrad verspricht die Fahrt zum Büro zum relaxten Vergnügen zu machen. Entspannte Fahrradtour statt Staufrust – das hört sich schön an, aber kann einem eingefleischten Autofahrer wie mir das Radfahren noch Spaß machen? Um das endgültig zu prüfen, spazierte ich eines Morgens in die Niederlassung eines Anbieters der taiwanesischen Marke Klever in Köln hinein.

Herr Ko, der Geschäftsführer höchstpersönlich, führte mich zunächst in die Welt der Elektrofahrräder ein. Gleich zum Anfang ein Schocker: Es gibt Elektrofahrräder, für die nicht nur Helmpflicht, sondern sogar eine Kennzeichenpflicht gilt.

Schnell wurde mir klar, dass ein Elektrofahrrad – zu Neudeutsch „Pedelec“, was für „Pedal Electric Cycle“ steht, auch unter dem Begriff „E-Bike“ bekannt – kein einfaches Fahrrad mit Motor ist, zumindest wenn man es richtig macht. Speziell Klever-Geräte sind von Grund auf als E-Bikes entworfen worden, was sich leider auch im Preis widerspielt, doch dazu später mehr.

Ich durfte diese vier Modelle ausprobieren: B45, S45, B25, S25. Hier sind sie zu sehen:

Im Geschwindigkeitsrausch

Die Zahl in der Bezeichnung deutet die maximale Geschwindigkeit an. 45 Sachen mit einem E-Bike? Jetzt aber echt?

Am B45 hing ein Kennzeichen. Herr Ko reichte mir einen Helm: Viel Vergnügen! Mir wurde mulmig, aber jetzt war es zu spät für einen Rückzieher.

Risikobewusst trat ich erst einmal langsam auf die Pedale, aber schnell war die Freude am Schnellfahren stärker als der Selbsterhaltungstrieb. Innerhalb von Sekunden war ich mithilfe des Elektromotors und der Zehngangschaltung laut Tachometer an die Maximalgeschwindigkeit gelangt. Das ging sehr leicht! Zwar ist nicht zu erwarten, dass der Elektromotor die ganze Arbeit abnimmt, aber die Beinarbeit entsprach bei dieser Geschwindigkeit eher einem Sonntagsausflug als einer sportlichen Fahrt. Das lässt sich locker länger durchhalten.

Wahnsinn!

Hightech im Fahrrad

Die Batterie ist klein wie eine Handtasche. Zwar kann das stärkste Modell B45 die Bremsenergie wieder in die Batterie einspeisen, jedoch reicht das nicht aus, um manuelle Ladevorgänge zu vermeiden. Es ist leicht, die Batterie herauszunehmen und zu Hause oder im Büro an das passende Ladegerät anzuschließen. Es soll bis zu etwa zwei Stunden dauern, bis sie mit dem Schnellladegerät wieder vollgeladen ist. Schön. Das kleinere Netzteil, das man leicht mitnehmen kann, braucht dagegen bis zu fünf Stunden. Bei einem normalen Arbeitstagrhythmus ist das aber kein Problem. Übrigens, auch wenn die Batterie unterwegs ganz leergefahren wird, kann man notfalls eben mit Muskelkraft ans Ziel gelangen.

Gegen Diebstahl schützen eine Wegfahrsperre, ein Schlüssel und die Möglichkeit, die Kontrolleinheit einfach mitzunehmen (ähnlich, wie man es von manchen Autoradios kennt). Klar ist der „Rest“ immer noch leicht zu entwenden, aber viel Spaß wird der Dieb damit nicht haben: Das Fahrrad befindet sich im Zustand der Vollbremsung, bis die Kontrolleinheit wieder eingesetzt wird.

Bei längeren Fahrten ist der Fahrkomfort, speziell die Sattelform und die Federung, bei den erprobten Modellen ideal. Das B45-Modell ist nicht nur vorne, sondern auch hinten gefedert. Das fühlt sich nach Luxus an.

Teurer Spaß

Das kleinste Modell kostet ca. 2.600 EUR, das teuerste deutlich über 4.000 EUR. Ist die elektrische Mobilität auf zwei Rädern das Geld wert?

Es geht auch billiger. E-Bikes sind auch für weniger als 1.000 EUR zu haben. Die Klever-Fahrgeräte genießen jedoch den Status einer Premium-Marke. Bequem und effizient, laut Herrn Ko von Grund auf speziell auf E-Bikes designt, sind Klever-Pedelecs für E-Bike-begeisterte Radler mit dem passenden Geldbeutel interessant.

Es ist mit Sicherheit erst der Anfang. Die Fahrt mit einem Pedelec der Klever-Klasse macht süchtig. Die Geschwindigkeit, mit der man sich mühelos durch Köln bewegen kann, ist einfach nicht wegzudiskutieren. Die Industrie ist jung und fängt erst an, sich um die PR-Seite zu kümmern. Erste Pedelec-Rennen werden absolviert, wie die E-Bike World Championship zum Beispiel, bei der dieses Klever-Pedelec gewonnen hat:

EWC-Sieger

Ich bin überzeugt, dass Pedelecs einer rosigen Zukunft entgegenschauen. Es macht unendlich viel Spaß, diese neue Fahrradgattung zu fahren. Doch nicht nur technikbegeisterte und leistungshungrige, sondern auch ältere Menschen werden die Unterstützung des Elektromotors zu schätzen wissen. Die steigende Verbreitung der neuen Technologie wird die Preise sinken lassen. Spätestens dann wird sich der Siegeszug der E-Bikes in der Fahrradszene nicht mehr aufhalten lassen.

Und vielleicht wird sich die Verkehrslage in Köln endlich etwas entspannen. Das dauert aber sicher noch ein paar Jährchen.

 

Roman Mildner
Über Roman Mildner 79 Artikel
Ich bin zertifizierter Projektmanager (PMP), Managementberater und Buchautor. Seit 1992 bin ich in der IT-Branche und seit 1998 als Managementberater tätig. Zu meinen Arbeitsschwerpunkten gehören Technologiestrategie und Prozessverbesserung, insbesondere im Bereich von Automotive SPICE. Weitere Details finden Sie hier.

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